Paris

Brief aus Paris
Internationale Versammlung („Weltrat“) der Priestergemeinschaft Jesus Caritas vom 6. – 21. November 2012
Im Jahr des 50-jährigen Jubiläum der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils, zu Beginn des „Jahrs des Glaubens“, haben sich 47 eingetragene Brüder aus 28 Ländern aus 4 Kontinenten, dazu Mariano Puga und Jacques Midy, die seit über 5 Jahrzehnten Mitglieder der Priestergemeinschaft sind, im Foyer de Charité in Poissy bei Paris versammelt. Der Delegierte der Demokratischen Republik Kongo hat kein Visum bekommen, und dem aus Kanada ist der Bruder plötzlich verstorben.
Die Wahl von Frankreich war motiviert durch die Erinnerung an den Seligen Charles de Foucauld, seiner Begegnung mit Abbé Huvelin und seiner Bekehrung im Jahr 1886 in der Kirche Saint Augustin (in Paris), oder in der Basilika auf dem Montmartre, wo er mit Massignon eine Nacht in der Anbetung verbracht hat. Frankreich ist auch die Wiege unserer Priestergemeinschaft, und mehrerer weiterer Zweige der Geistlichen Familie von Charles de Foucauld, wie der Kleinen Schwestern von Jesus oder der Kleinen Schwestern vom Evangelium, deren Zeugnis wir hören durften.
Durch Vorträge haben wir uns informiert über die französische Gesellschaft und über den Platz der Kirche. Die Begegnungen in den Pfarreien und an besonderen Orten der Mission haben uns ermöglicht, die Realität einer lebendigen Kirche kennenzulernen, die in einem säkularen Umfeld lebt. Das Stundengebet, die tägliche Anbetung, die Eucharistie, der Wüstentag haben unserer Versammlung ein geistliches, brüderliches Kolorit gegeben. Zeiten der Geselligkeit, der gegenseitige Austausch und die gemeinsamen Mahlzeiten haben zu diesem Klima beigetragen.
Nachdem wir das Echo aus den verschiedenen Regionen der Welt gehört haben, spürten wir ganz deutlich, wie der Glaube immer neu im Entstehen ist, und sich einbringt, um den Grund für eine neue Form von Kirche zu legen. Das gibt unseren Bruderschaften erneuerte Anrufe und Orientierungen.
1. Echos aus den Regionen der Welt
Die unterschiedlichen Berichte der verschiedenen Länder und Kontinente stellten einen großen Reichtum dar. Sie haben uns geholfen, tiefere Verbindungen unter uns zu schaffen, und machten uns bewusst, dass wir uns gegenseitig ergänzen, im voller Beachtung unserer unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten, und in dem demütigen Kennenlernen der vielfältigen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind.
Die Bruderschaften Afrikas sind geprägt durch den Kontext politisch instabiler, wirtschaftlich schwacher und sozial ungesicherter Länder, wo unsre Präsenz als

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Priester, die das Leben der Leute teilen, oft als hilfreich wahrgenommen wird, und wieder Vertrauen schafft. Wegen der großen Entfernungen, der schlechten Straßen, und auch weil Geld und materielle Hilfsmittel fehlen, sind die gegenseitige Kommunikation und die Treffen nicht so häufig. Weit davon entfernt, dass das zur Entmutigung führt, bringen diese Schwierigkeiten unsere Brüderschaften noch mehr in Schwung. So vertiefen sie ständig ihre eigene Identität, und nehmen zu an Zahl durch die Aufnahme von neuen jungen Priestern.
Europa und Nordamerika erfreuen sich eines gewissen materiellen Wohlstands, sie erfahren aber gleichzeitig eine tiefe wirtschaftliche und finanzielle Krise. Sie greift auf Dauer das Gleichgewicht des Lebens vieler Familien an, und entwickelt ein tiefgreifendes Gefühl der Unsicherheit. Die Bruderschaften dort sind zahlreich, aber ihre Mitglieder werden immer älter; sie sind so ein Spiegelbild des diözesanen Klerus dieser Länder, die wenig neue Priester hervorbringen. Immerhin bereichern aus dem Ausland kommende Priester diese Presbyterien und unsere Bruderschaften.
Der lateinamerikanische Kontinent registriert ein gewisses wirtschaftliches Wachstum, steht aber unter Druck durch eine steigende soziale Unsicherheit, die durch den Drogenhandel zahlreiche Opfer fordert. Er steht in einem religiös geprägten Umfeld, das von verschiedenen evangelikalen Strömungen durchzogen ist. In Verbindung mit den verschiedenen Geistlichen Familien von Charles de Foucauld sind unsere Bruderschaften umgeben von einer Vielzahl von Sympathisanten, die ihnen regelmäßig neue Mitglieder zuführen.
Asien ist der Erdteil großer Religionen wie des Islams und des Hinduismus. Es befindet sich in voller wirtschaftlicher Entwicklung. Die Kirche lebt im Allgemeinen in der Minderheit, aber die Bruderschaften nehmen viele junge Priester auf. Der Dialog mit den anderen Religionen entwickelt sich, wobei die Identität des christlichen Glaubens gewahrt bleibt.
2. Eine Verkündigung des Glaubens
Entsprechend den verschiedenen Regionen der Welt, und entsprechend den verschiedenen Lebenssituationen zeigen der Glaube und die Glaubens- verkündigung ein unterschiedliches Bild.
Der Glaube nimmt am Anfang die Form des Mutes zum Leben an, des Mutes zu existieren. In den verschiedenen Etappen des persönlichen und kollektiven Lebens geht es darum zu glauben, dass das Leben hält, was es verspricht. Diese elementare Form des Glaubens begegnet der Universalität des Evangeliums, denn alle Menschen stehen vor demselben Abenteuer, zu glauben, dass das Leben es wert ist, gelebt zu werden – oder nicht. Angesichts aller Kategorien des Bösen, die die Menschheit treffen, geht es darum, eine neue Botschaft des radikalen Gut-Seins zu verkündigen.
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Doch wenn man diese Frohe Botschaft, welche das Evangelium ist, mit Jesus verbindet, kann man glauben, dass das Böse nicht das letzte Wort haben wird. Das ist auch die Voraussetzung, dass der Glaube und die Freiheit zu glauben für den Menschen möglich ist. Das erlaubt, dass der Glaube in ihnen entstehen kann.
In der Tat, in Jesus von Nazareth, seiner Art zu sein und zu leben, kann man erkennen, wie man das Evangelium allen Menschen vergegenwärtigen kann. Jesus hat immer gesagt, was er dachte, und er hat getan, was er gesagt hat; er hat sich immer an die Stelle des anderen gestellt, doch ohne die seine aufzugeben. Seine Taten drückten sein Mitleid aus, das ihn bis zum Äußersten trieb, im Angesicht seiner Gegner. Jesus machte das Evangelium menschlich verstehbar, und er ist darin frei geblieben bis zur Hingabe seines Lebens. Wie in einem Echo erkennen wir in ihm das Leben und die Bestimmung von Bruder Karl, der versucht hat, Jesus nachzuahmen in seinem Leben und in seinem Tod.
Diese Nachahmung des Lebens Jesu, im Nahesein und in der Gastfreundschaft, in der Weggemeinschaft und in der Freiheit sich selbst gegenüber eine Kirche entstehen zu lassen, die immer neu geboren wird. Die Kirche wird geboren, wo der Glaube entsteht. In den einfachen Begegnungen, in der Gastfreundschaft und in der Haltung des Willkommens verwirklicht sich die Gestalt des „Übersetzers“ (passeur). Der Übersetzer, der einer von uns sein kann, lässt uns die Heilige Schrift neu lesen. Er gibt dem Glauben eine sichtbare Dimension. Er bindet die Sakramente an die messianischen Zeichen Jesu. Eine Gemeinschaft, sei sie auch arm und klein, entdeckt dann, dass die Brüderlichkeit, die sie lebt, die Grenzen von Raum und Zeit überschreitet. Wenn sie die Schwelle der Kontemplation in der Liturgie und in der Anbetung überschreitet, wird ihr offenbart, dass der Leib Christi sich in ihnen erbaut, und dass sie sich einfügt in das umfassende Volk Gottes, die Kirche, auf ihrem Weg zu Gott.
Wir haben besser verstanden, dass die Antworten auf die weitreichenden Herausforderungen der Welt sichtbar werden im alltäglichen Tun. Wenn die christlichen Gemeinschaften transparent werden für das Evangelium, relativieren sich ihre internen Sorgen, und in einer Bewegung, die aus der Inkarnation stammt, wagen sie ihr eigenes Leben, durch ihre Solidarität mit den Menschen, die am meisten gefährdet sind. Sie anerkennen die Einzigartigkeit jeder einzelnen Person, und sind mit ihnen verbunden durch das Band der Freundschaft und der Nähe. Sie leben ohne Furcht ihr Anderssein, und öffnen sich dem universellen Horizont. Die gelebte Gastfreundschaft wird zum Ort, wo Gott sichtbar wird, der sich zu erkennen gibt im Incognito der Begegnungen und besonders in der Begegnung mit dem Ausgeschlossenen.
So nimmt die Kirche, die aus verschiedenen Gründen an diesem oder jenem Ort verschwinden kann, an einigen Orten die Gestalt der Diaspora an. Aber unaufhörlich lebt sie dort wieder auf, wo der Glaube sich von Neuem zeigt. Das versetzt sie in die Lage, dem Allgemeinwohl und den sozialen Bindungen zu
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dienen. Hier findet man den für heute gültigen Ausdruck der Frohen Botschaft von Jesus selbst, der an uns herangetreten ist als Bruder, und den wir leben wollen, indem wir seinen wiederentdeckten Anruf immer neu annehmen.

3. Anrufe und Orientierungen für unsere Priestergemeinschaft
In dieser Internationalen Versammlung haben wir die Erfahrung der Vielfalt, der Unterschiedlichkeit und der Originalität der Vertreter der verschiedenen Bruderschaften gemacht, gemäß unserer je eigenen Kulturen. Wir haben die Freude der Gemeinschaft und der Kommunikation erlebt, im Geist von Jesus von Nazareth. Aber was ist mit all den anderen, die Jesus Christus nicht kennen? Und wenn sie ihn kennen, oder von ihm gehört haben, wie können sie das in ihrem täglichen Leben verwirklichen?
Die gegenwärtige Globalisierung und ihre Bruchstellen ermöglicht es uns, die Realität des „anderen“ zu erfahren, der verschieden ist von uns, und der unsere Reaktion provoziert: Willkommen, Ablehnung, Angst. Nun, wie sollen wir einander begegnen?
Heute trifft die Debatte über eine ethische Weltordnung auf Widerstand bei Vielen, besonders bei denen, die über eine Machtposition verfügen. Um eine Welt zu erbauen, die eine Heimat für alle sein kann, angefangen bei unserer je eigenen Originalität, und ohne dass jemand ausgeschlossen oder unterdrückt wird. Was ist da unser Beitrag, als Priestergemeinschaft?
Unser Ideal ist, die Absolutheit Gottes zu leben, die Liebe Jesu Christi, in der Weise von Bruder Karl, als Frucht des Geistes: Nähe, Präsenz und Respekt dem anderen gegenüber, vor allem im Klein-Sein, im Alltäglichen, angefangen bei den Schwächsten, den Habenichtsen, und den Ausgeschlossenen. Denn die liebt Gott, und in ihnen spricht er uns an.
Als Diözesanpriester müssen wir die Realität akzeptieren, die in bestimmten Ländern die unsere ist: Wir sind nicht zahlreich, wir sind älter geworden, wir werden manchmal nicht verstanden, weder bei bestimmten Mitbrüdern, noch bei einigen jungen Priestern. Aber wir sehen an vielen Orten in der Welt auch ein großes Engagement, eine Hingabe, und eine Treue den Brüdern gegenüber.
Überall fühlen wir uns gerufen, die Brüderlichkeit mit allen unseren priesterlichen Mitbrüdern zu entwickeln. All das fordert uns heraus, das Leben unserer Gemeinschaft zu intensivieren, besonders in der révision de vie, im Hören auf das Wort Gottes und im Austausch darüber, in der eucharistischen Anbetung, im Wüstentag und im einfachen Zeugnis des alltäglichen Lebens, dort, wo die Kirche uns hingestellt hat, und wohin sie uns schickt als Diözesanpriester.
Es ist wichtig, dass die jüngeren Priester uns kennen. Nicht um unser Prestige oder unser Renommee zu suchen, sondern um einen ehrlichen Dienst am
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spirituellen Leben der Kirche zu leisten, in Treue zu ihr, und zu unseren Bischöfen. Dazu sind wir verpflichtet, den Armen gegenüber.
Die alt gewordenen Brüder sind Teil und nehmen Anteil an unseren Bruderschaften. Sie sind für uns die Zeugen der Mission, die sie gelebt haben. Wir brauchen ihr Zeugnis und ihre Unterstützung im Gebet. Wir wissen auch, dass die Brüder, die uns schon verlassen haben, in Gemeinschaft stehen mit uns.
Vermehren wir unsere Solidarität und unseren missionarischen Geist, sowohl auf der lokalen als auch auf der internationalen Ebene, als „Bruder aller“ (frère universel). Umso mehr, wenn die gegenwärtige Kultur den Individualismus fördert und verkündigt. Diese provoziert die Einsamkeit und die Verlassenheit so vieler unserer Brüder.
Wir wollen uns nicht an die Realität gewöhnen, vielmehr lassen wir uns in Frage stellen durch sie, ausgehend vom Evangelium, und von der Weisheit der Armen. Wir wollen den Weg Jesu gehen, und unsere Autorität als einen Dienst verstehen.
Wir sind Zeichen einer umsonst und liebevoll gewährten Gastfreundschaft mit den Migranten, den Flüchtlingen und den Ausgestoßenen, die das weltweite gegenwärtige System hervorbringt. Wir anerkennen den Wert, den sie uns bringen, trotz der Schwierigkeiten, die das mit sich bringt. Wir erkennen all die neuen Formen der Sklaverei, die sich hier zeigen, denen so viele unserer Brüder unterworfen sind, und die sie zu Fremden machen. Dadurch werden sie zu Objekten, aufgefressen durch das herrschende System, das nur einige Wenige privilegiert.
Wir haben großes Leid und Schande erfahren durch die Berichte über sexuellen Missbrauch durch einige Priester. Das hat uns demütiger gemacht, und treuer zu Gott. „Bleibt wachsam!“
Reif werden, wachsen und leben im Leben in der Bruderschaft. Die Tatsache, sich (als Priester) allein oder isoliert zu erleben, darf nur eine Ausnahme bleiben, die wir schnell überwinden müssen. Das Leben in der Brüderlichkeit ist unsere größere Kraft. Sie hilft uns, in Gemeinschaft mit anderen zu erkennen, was uns Jesus Christus heute sagen will. Das ist die wirksamste Hilfe, um unsere eigene Berufung zu festigen in der Welt und in der Kirche, und in unserer eigenen Umwelt.
Ein schweigendes Zeugnis zu geben durch ein wirkliches Da-Sein, durch ein Leben des Gebets, das Glauben und Leben vereint, in der täglichen solidarischen Aktion, auch wenn sie ganz einfach ist. Das ist die angemessenste Antwort auf jeglichen Fundamentalismus, der die Liebe Gottes des Vaters verdunkelt. Fundamentalismus verhindert eine wirkliche und wirksame Begegnung, im Respekt unserer eigenen Identität gegenüber. Das ist dort, wo wir uns mit dem auferstandenen Christus wieder finden.
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Wir machen uns Sorgen über die Verwirklichung des Nazareth- Monats. Durch ihn haben alle Brüder unserer Bruderschaften die Möglichkeit, diese Erfahrung im Geist von Bruder Karl zu erleben, in der Intimität der Liebe Jesu Christi, der unsere Orientierung und unser Handeln bestimmt, damit es ein brüderliches Leben im Dienst an den Armen ist. Angefangen bei ihnen und mit ihnen lassen wir uns führen im Heiligen Geist.
Schließlich ist es notwendig, die regionalen und kontinentalen Begegnungen zu vertiefen und zu realisieren, damit wir einander kennenlernen und die Gemeinschaft erfahren, im Dienst an den Armen, auf dem Weg, den uns Bruder Karl vorgelebt hat, in der Liebe und in der Treue zu Jesus Christus. Er gibt uns das Leben. Er stellt uns wieder her in unserer Würde als Kinder Gottes, und daher als Brüder, die für einander verantwortlich sind.
Wir haben Aurelio Sanz aus Spanien gewählt, und den Internationalen Rat für diese Amtsperiode bestätigt.
Schlussbemerkung
In diesen Jahren, in denen wir das Gedächtnis des 2. Vatikanischen Konzils feiern, erinnern wir uns, wie stark die Spiritualität des Seligen Charles de Foucauld manche Texte des Konzils inspiriert hat. Und wie viel die Geistliche Familie von Charles de Foucauld, der wir angehören, beiträgt zur (neuen) Geburt der Kirche in unserer Zeit, die in allen Nationen im Aufbruch ist, damit sie zugänglich wird für alle Menschen. Als Zeugen und Übermittler des Evangeliums von der Güte Gottes, das in den Bruderschaften immer neu entsteht, am ursprünglichen Ort unseres Charismas und unserer Berufung, vergegenwärtigen wir den Gott der Liebe, der sich in Jesus von Nazareth zum Bruder gemacht hat für alle Menschen.

Übersetzer: Richard Leiter und Franz Ladenburger